Weltneuheit LNG-Traktor tankt flüssiges Biogas

  • Gerade wird in der Presse ein Traktor mit LNG Antrieb als Weltneuheit gefeiert, dabei gab es das schon in der DDR


    Quelle: https://www.agrarheute.com/tec…-fluessiges-biogas-601230


    Hier mal eine Abhandlung dazu vom IFA-Museum Nordhausen.


    Quelle: http://www.ifa-museum-nordhaus…gemeines/index.php?ID=131


    Im Folgenden das zweite Beispiel einer Nordhäuser Innovation, bei der wiederum die F u. E-Abteilung der IFA Anteil hatte. In Nordhausen gab es das VEG (Volks Eigene Gut) Tierzucht. Es war 1945 aus den enteigneten Schreiberschen Gütern und ehemaligen Domänen hervorgegangen. 1967 übernahm Dr. Johann Franz als Betriebsdirektor das VEG Nordhausen-Darre, wie der Betrieb damals hieß. Dr. Franz machte innerhalb nur eines Jahrzehnts aus dem rückständigen VEG einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb. Mit ca. 90.000 Schweinen, einer Landwirtschaft-lichen Nutzfläche von 2.270 ha, mit Pferde-, Rinder- und Schafzucht, mit Gartenbau, Champignon- und Chicoreeproduktion machte der Betrieb einen jährlichen Umsatz von 138 Mio M und einen Rekordgewinn von 34 Mio M.



    Ein herausragendes Großprojekt war die 1985 in Betrieb genommene Biogasanlage. Mit einem Fermenter-Volumen von 2x8000 m3 war das damals die weltgrößte landwirtschaftliche BGA. Dank seiner wirtschaftlichen Erfolge gelang es J. Franz sogar, 1981 eine Außenstelle der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften (ADL) mit ca. 30 Wissenschaftlern „auf der Darre“ zu installieren. Diese in drei unterschiedlichen AdL-Instituten angestellten Wissenschaftler und Mitarbeiter bearbeiteten Forschungsprojekte (damals Forschungsthemen genannt) rund um die Schweinezucht und insbesondere zur Biogastechnologie.



    So wurde von 1982 bis 1984 in der AdL-Außenstelle auch ein sog. Staatsplanthema „Mobile Verwertung von Biogas" bearbeitet. Themenleiter war der Autor W. Steinmetz: „1982 bin ich von der IFA zur AdL-Außenstelle gegangen. Ich hatte "auf der Darre" große Freiräume in der Forschungsarbeit. (Von der intensiven Bespitzelung durch 2 Stasi IM habe ich erst nach der Wende in meiner Stasiakte erfahren). Es standen von den Ministerien MLF (Ministerium Land- und Forstwirtschaft) und MWT (Ministerium Wissenschaft u. Technik) großzügige finanzielle Mittel für das o.g. Projekt „Mobile Verwertung von Biogas“ zur Verfügung. Aber mit Geld allein kam man in der DDR nicht weit, auch nicht in der Forschung. Wir brauchten Kooperationspartner in vielen Betrieben, die uns Komponenten liefern und auch Versuchsteile anfertigen sollten. Die materielle Beschaffung und Beauftragung von Ingenieurleistungen in diversen DDR-Unternehmen waren eigentlich die größte Herausforderung. Spanferkel, Nordhäuser Korn und W50-Zylinderkopfdichtungen öffneten da manche Tür. Am wichtigsten waren jedoch die persönlichen Kontakte zu den Kooperationsbetrieben“.



    Die Projektgruppe „Mobile Verwertung von Biogas“ bestand aus 6 Mitarbeitern. Wesentlich beteiligt an der Fahrzeugentwicklung waren Heinz Scherbaum und Dipl.-Ing. Siegfried Gärtner. Es wurden 3 Prototypen von Fahrzeugen für den Biogasbetrieb entwickelt:

    LNG-Traktor ZT300 mit Gas-Dieselmotor, umschaltbar von LNG auf Diesel (Bild 37)

    LNG-LKW W50 mit Gas-Dieselmotor, ebenfalls umschaltbar (Bild 38)

    LNG-PKW Polski Fiat mit Gas-Ottomotor, umschaltbar auf Benzin (Bild 39)



    LNG Traktor ZT 300 (Foto: Steinmetz)



    Bild 37: LNG-Traktor ZT300 (Biogasanlage im Hintergrund)



    Dabei wurde in Nordhausen eine neue Gasspeichertechnik angewandt, bei der das Biogas in -161 °C tiefkaltes Flüssigmethan „LNG“ (Liquified Natural Gas) umgewandelt wird und dann in vakuumisolierten Kryotanks im Fahrzeug gespeichert wird. Diese Kryotanks haben bei gleicher Reichweite bzw. Betriebszeit nur 1/7 der Masse wie die Druckflaschen für komprimiertes Biogas bzw. Methan „CNG“. So erreichte der LNG-Traktor mit einer Tankfüllung eine Betriebsdauer beim Pflügen von 11,4 Stunden. Im Vergleich dazu erreichte die CNG-Version des ZT 300 nur eine Betriebszeit von 3,6 Stunden. Auf das Traktor-Konzept, den Zündstrahlmotor und die Kryotankkonstruktion sind zahlreiche Patente angemeldet worden. LNG-Traktor u. LNG LKW sind technische Neuheiten.



    LNG-LKW W 50 (Foto: Steinmetz)



    Bild 38: LNG-LKW W50



    Wichtiger Kooperationspartner für das LNG-Projekt war die IFA. Ferdinand Herms entwickelte aus dem Dieselmotor 4 VD 14,5/12 eine Gas-Diesel-Version, auch Zündstrahlmotor genannt. Seine Mitstreiter Dipl.-Ing. Werner Korn und Dipl.-Phys. Andreas Schmelzer waren wesentlich an der Entwicklung und Erprobung des LNG-W50 beteiligt. Ohne die Kältetechnik Niedersachswerfen (KTN) und deren Ingenieure Bernd Röhrreich und Wolfgang Müller wäre allerdings nichts gegangen. Sie fertigten die Kryotanks für alle drei LNG-Fahrzeuge und wirkten beratend bei der Tankkonstruktion mit.



    LNG-PKW Polski Fiat (Foto: Steinmetz)



    Bild 39: LNG-PKW Polski Fiat



    Größtes Problem für die Erprobung der LNG-Fahrzeuge war deren Versorgung mit LNG / Biomethan. Da die Biogasanlage 1984 noch nicht in Betrieb war, musste

    zunächst LNG aus der Edelgasanlage von Leuna rangefahren werden. Dann entwickelte das Projektteam (maßgeblich beteiligt Dipl.-Ing. Bernd Mißbach und Dipl-Ing. Hinrich Konow) eine eigene kleintechnische Anlage zur Erdgas- und später zur Biogasverflüssigung (KTAB). Kernstück dieser KTAB war eine Stirling-Kaltgasmaschine sowjetischen Fabrikats vom Typ SIF 1000. Diese SIF 1000 war vorher in einer Bullenstation zur Erzeugung von Flüssigstickstoff für die Spermakühlung im Einsatz gewesen.



    Parallel zu Bau und Erprobung der LNG-Fahrzeuge wurde die Planung einer Großtechnischen Biogasverflüssigungsanlage GTBA vorangetrieben. Dazu hatten die Betriebsdirektoren Dr. Franz / VEG Tierzucht, Otto Brand / IFA MN und Wolfgang Teichmüller / KTN schon am 14.10.1982 eine Rahmenvereinbarung unterschrieben. Diese hatte als Zielstellung die Errichtung einer GTBA mit einer Verflüssigungskapazität von täglich 6000 m3 Biogas/d, was einem Äquivalent von 3600 l/d Dieselkraftstoff entspricht. Dazu sollte eine Fahrzeugflotte von 100 Traktoren bzw. LKWs auf LNG-Betrieb umgerüstet werden. Mit der Gesamtprojektierung wurde der VEB Prowa Dresden beauftragt. Das Verflüssigungsverfahren wurde vom VEB KCA (heute Linde) Dresden entwickelt. Grundlagenuntersuchungen liefen an der TU Dresden / Wissenschaftsbereich Kältetechnik. Dieses ambitionierte Großprojekt der drei Nordhäuser Betriebe TINO, IFA und KTN kam nicht mehr zur Ausführung. Die Wende 1989 machte jegliche Alternativkraftstoffe unattraktiv. Das einzige was noch an das Projekt „Mobile Verwertung von Biogas“ erinnert, ist der LNG-Traktor ZT 300. Das wertvolle Stück wurde von unserem IFA-Kollegen Bodo Putty vor der Verschrottung gerettet. Großer Dank gilt unserem Förderer Hellmut Peter, dass der „Biogas-ZT“ seit 2019 als Exponat im IFA-Museum besichtigt werden kann.



    Die EVN hat 2015 am Ortsrand von Bielen eine Biomethananlage errichtet. Ein angeblich zukunftweisendes Projekt, das in der Öffentlichkeit heftig kritisiert wurde. Die von TINO / IFA / KTN in den 1980-er Jahren geplante Biomethananlage war diesem EVN-Projekt bereits zwei wesentliche Verfahrensstufen voraus, nämlich der Methan-Verflüssigung und dessen mobiler Verwertung. Tatsächlich ist gerade diese LNG-Technik, die 1984 (!) in Nordhausen entwickelt wurde, heute in Deutschland hoch aktuell. Unter der Vielzahl jüngster LNG-Aktivitäten sei nur eine Studie "LNG als Alternativkraftstoff... für Nutzfahrzeuge" von 2011 genannt. Auftraggeber ist das BMVI (Bundesministerium Verkehr und digitale Infrastruktur). Erarbeitet wurde die Studie vom DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) mit diversen Instituten als Unterauftragnehmer. Aber kein Literaturverweis findet sich in der DLR-Studie auf das DDR-Staatsplanthema "Mobile Verwertung von Biogas"! Diverse Veröffentlichungen zu diesen LNG-Ergebnissen von 1984 einschließlich einer Dissertations- und einer Habilitationsschrift hätten den Kollegen des DLR bzw dessen Subauftragnehmern zur Verfügung gestanden. Man hätte erhebliche Forschungsmittel einsparen können. Als das IFA-Museum auf der AGRITECHNICA 2013 in Hannover den LNG-Traktor ZT300 präsentierte, gab es einen regelrechten "Run" auf dieses Exponat.



    Das VEG Tierzucht hat als einer von wenigen Nordhäuser Betrieben die Wende überlebt. Dank Henry Van Asten, Monique Van Asten und ihrem erfahrenen Berater Dr. Friedhelm Etzrodt steht heute die VAN ASTEN Tierzucht GmbH mit ihren 170 Mitarbeitern in den vier Thüringer Betrieben wieder gut da. Die alte Biogasanlage aus den 1980-er Jahren ist wieder in Betrieb und wurde ganz wesentlich erweitert. In den Thüringer Van Asten- Betrieben sind Biogasmotor-Heizkraftwerke installiert, die eine elektrische Gesamtleistung von 6 MW erzeugen. Damit ist Van Asten der größte Stromerzeuger aus Biogas in Thüringen.

  • Der gefühlte Automobilbau war in der DDR eben weiter , wenn nicht immer welche gewesen wären ,die den Roten Stift angesetzt hatten.

  • Das ist wahr. Viele der heutigen "Erfindungen" gab es schon vor langer Zeit. Jetzt scheint es so, als ob alles erfunden wird, und es sind einfach Kopien, die mit der Technologie verbessert werden. Das ist so bei vielen "Neuheiten", die uns in der Mechanik präsentiert werden. Vor kurzem habe ich ein altes Auto mit ähnlichen Eigenschaften gefunden. Ich weiß nicht mehr, ob es unter https://exportmaschinen zu finden war... Aber es wird im Moment nicht wirklich gebraucht. Ich denke, es ist auch gefährlich. Sicherlich werden mit der Zeit andere Energiealternativen auftauchen. Und natürlich mittelfristig. Das wird wie bei den Elektroautos sein. Alles wird sich nach und nach ändern.