Nicht Bosch, sondern die IFA-Motorenwerke Nordhausen brachten vor 30 Jahren den weltweit ersten Common-Rail-Diesel auf die Straße. Im Lkw W50 bestand der Versuchsmotor 1985 den Praxistest, doch in Serie ging er nie. Prof. Dr. Ferdinand Herms über ein ganz besonderes Ausstellungsstück im IFA-Museum.
Schnellen Schrittes und mit dem Laptop unterm Arm eilt er zum Eingang. Eindeutig kein Mann, der gern Zeit verliert. Prof. Dr. Ferdinand Herms war Versuchsingenieur und später Chefkonstrukteur der IFA-Motorenwerke Nordhausen. Jetzt, mit 73 Jahren, führt er hin und wieder Besucher auf das Gelände, auf dem er sein ganzes Berufsleben verbracht hat. Die Motorenfertigung gibt es nicht mehr, dafür aber das IFA-Museum. Ein idealer Ort, um andere für seine Technikwelt zu begeistern.
Vorreiter in der Motorentwicklung
„Dieser Versuchsmotor aus dem Jahr 1985 war eine Sensation.“ Ferdinand Herms stoppt in der Museumshalle, verweist zwischen all den Lokomotiven, Traktoren und Motoren auf ein ganz besonderes Aggregat. Eines seiner Lieblingsstücke. Die genauere Erklärung bringt einen Aha-Effekt: „Schon vor 30 Jahren waren wir an der Entwicklung dieses Dieselmotors mit Common-Rail-Einspritzsystem beteiligt. Im Lkw W 50 wurde er mit besten Ergebnissen auf der Straße erprobt. Das war Weltpremiere.“
Kooperationspartner aus Karl-Marx-Stadt
Wie aber kam es zu dieser Innovation? Die Geschichte beginnt Anfang der 70er-Jahre. „Ständig musste die Motorleistung gesteigert werden“, erinnert sich der Ingenieur an DDR-Zeiten. „Die westliche Welt setzte auf Turboaufladung, uns fehlte dafür das harte Geld. Deshalb mussten wir durch ein neues Einspritzsystem die Verbrennung optimieren.“ Wir – das waren die Nordhäuser Motorenbauer und das Wissenschaftlich-Technische Zentrum (WTZ) für Automobilbau in Karl-Marx-Stadt. Letzteres besaß für ein solches Projekt hervorragende Laborbedingungen. Projektleiter war Klaus Matthees. 1971 entstand die erste Studie, dann ein Einzylinder-Versuchsmotor. Schließlich wurde ein MN 106, ein Sechszylinder-Prototyp-Motor aus Nordhausen, zum CR umgebaut. Genau das Unikat, das heute im Museum glänzt.
Es fehlte an Devisen
Begriffe wie Einspritzventil, Hochdruckspeicher oder Steuerelektronik bringen die Augen von Ferdinand Herms zum Leuchten. „Wir hatten 15 Jahre Entwicklungsvorlauf gegenüber dem Westen“, schätzt er ein. „Aber um das komplexe System zu produzieren, hätte es völlig neuer Fertigungsstätten bedurft. Dafür fehlten die Devisen.“ Die Sache scheiterte. 1997 hat Bosch das erste CR-System auf den Markt gebracht.
Das ist nur ein spannendes Beispiel aus der Nordhäuser Industriegeschichte. Weitaus mehr können Besucher zur Museumsnacht erfahren.
Zur Person
Dr.-Ing. Ferdinand Herms begann 1966 sein Ingenieurpraktikum in den
IFA Motorenwerken Nordhausen, arbeitete ab 1968 als Versuchsingenieur.
1990 bis 1992 war er Chefkonstrukteur, der letzte in der IFA-Geschichte.
Auch nach IFA-Schließung entwickelte er Motoren: 1992 bis 2011 als Geschäftsführer der adapt engineering GmbH.
2008 verlieh ihm die Hochschule Nordhausen den Titel Honorarprofessor.
Nordhäuser Museumsnacht
Das IFA-Museum beteiligt sich an der Nordhäuser Museumsnacht am 28. März 2015. Von 18 bis 22 Uhr wird stündlich eine Lokomotive gestartet. Es gibt thematische Führungen zur Lokomotiven-, Traktoren- und Motoren-Ära. 21.30 Uhr beginnt der Vortrag von Prof. Dr. Ferdinand Herms.
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Das IFA-Museum
Der 2007 gegründete Verein „IFA-Museum Nordhausen am Harz“ zählt heute 80 Mitglieder. Viele davon sind einstige IFA-Mitarbeiter.
Im Technikmuseum im ehemaligen IFA-Kulturhaus macht der Verein die Industriegeschichte des Standortes anschaulich, die 1905 mit der Produktion von Bergbaugeräten begann und 1997 endete. Gezeigt werden aufwendig restaurierte Exponate – beispielsweise Montania-Motorlokomotiven, Traktoren von Pionier bis Famulus sowie Dieselmotoren und sogar ein Gasmotor-Aggregat.
http://www.ifa-museum-nordhausen.de/